Es ist nun schon einige Jahre her. Mitten in der Nacht wurde ich plötzlich durch ein unbekanntes Geräusch geweckt. Dem Schreck folgten dann im Halbschlaf ein paar Minuten des Nachdenkens über die Ursache. Aber als dann Ruhe einkehrte, schlief ich schnell wieder ein.
Einige Tage später wiederholten sich die Geräusche – nur intensiver und länger.
Nun muss ich aber noch etwas dazu erklären. Über unserem Schlafzimmer befindet sich, getrennt durch eine Holzdecke, eine als Abstellraum genutzte Dachkammer. Diese ist nur durch eine Leiter, die ich bei Bedarf außen am Haus anstelle, erreichbar.
Scharren, Poltern und Rumpeln. Irgendetwas, das da nicht hingehört, geht dort oben um. Diesmal war ich so aufgeregt, dass ich mir die Taschenlampe schnappte und um das Haus lief, um zu schauen, ob jemand die Leiter angelehnt hatte. Aber es war nichts zu sehen.
Anderntags habe ich mir dann die Dachkammer genau angesehen. Aber nichts deutete auf einen nächtlichen Besucher hin. Alles war an seinem Platz, kein Verbiss und auch keine Exkremente.
Danach war tagelang Ruhe in der Dachkammer, bis es irgendwann wieder anfing.
An Schlaf war nicht zu denken.
Mein Gedanke war spätestens jetzt, dass sich da doch irgendein Vierbeiner – Waschbär oder Marder – eingenistet hat, um etwas Essbares zu suchen.
Um endlich die nächtliche Ruhe zu bekommen, griff ich zu rabiateren Mitteln und lieh mir beim Nachbarn eine Kastenfalle. Diese, nun bestückt mit den erlesensten Leckereien, sollte endlich Klarheit schaffen. Auch habe ich das Dach nach allen möglichen Schlupflöchern untersucht und diese vernagelt.
Die Falle stand wochenlang – ohne Erfolg. Die Aktivitäten unseres Obermieters gingen lustig weiter.
Und das ist so, in größeren Abständen, bis heute.
Gut, irgendetwas hat über unseren Köpfen im Schlafzimmer zu nachtschlafener Zeit viel zu tun.
Aber nach den vielen erfolglosen Versuchen, das zu unterbinden und die Ursache zu finden, sehe ich das Ganze mittlerweile viel entspannter und habe mich innerlich mit dem Gewusel arrangiert. Im Gegenteil, ich mache mir schon fast Sorgen, wenn ich IHN lange nicht gehört habe.
Ich störe ihn nicht mehr, denn er schafft eine, für uns unsichtbare, Ordnung. Immer, wenn es in der Familie mal knirschelt, wird er in der Nacht aktiv. Und irgendwie scheint er, Familie und Haus zu behüten – UNSER Hausgeist.
Unsere zwei Enkeltöchter sind von dieser Geschichte sehr angetan, zumal zur Zeit in ihrem Leben gerade Geister und Gespenstergeschichten eine große Rolle spielen. Und wenn dann ein Geist sogar im eigenen Haus umgeht, wird das Ganze umso interessanter. Sie sind auch mit viel Enthusiasmus dabei, wenn wir unseren heimlichen Mitbewohner mehrere Male im Jahr, besonders wichtig – in den Rauhnächten – als Dankesgabe ein Glas Bier oder Wein und eine Scheibe Brot oder Kekse nach draußen stellen. Ich habe dann in der früh immer zu tun, die Gaben bis auf einen Rest schnell beiseite zu bringen, bevor es von den Enkelkindern kontrolliert wird.
Schon seit jeher und überall auf der Welt sind Menschen davon überzeugt, zusammen mit den Tieren nicht die einzigen Wesen auf der Erde zu sein. Wir glauben, dass außer uns noch andere Wesen existieren, die sich – trotz eventueller äußerlicher Ähnlichkeiten – allerdings grundlegend von uns unterscheiden. Diese Wesen sind weder menschlich noch göttlich, sondern irgendetwas dazwischen. Sie haben unzählige Namen und nehmen vielerlei Gestalt an.
Die Hausgeister sind nur ein klitzekleiner Teil dieser bunten, fleißigen, lustigen, aber oftmals auch furchterregenden Gesellschaft. Und gäbe es nicht unsere traditionellen Märchen, wären diese Wesen bereits aus unserer Kultur ganz zu schweigen aus familiären Traditionen verschwunden.
In einem nächsten Text werde ich mich weiter dem Thema der Hausgeister widmen.
Interessant ist dabei auch, dass es die Geisterwelt bis in das Kinderfernsehen der DDR geschafft hatte. Vielleicht kommt ihr schon darauf, welche beliebte Figur unserer kindlichen Welt damit gemeint ist.