Die rabenschwarze Intelligenz
Die rabenschwarze Intelligenz

Die rabenschwarze Intelligenz

Sicher kennen noch einige unter euch Wilhelm Buschs Bildergeschichte von Hans Huckebein, dem Unglücksraben. Ähnlich angelegt wie die Böse-Buben-Geschichte von Max und Moritz nimmt auch hier der Titelheld, ein Rabe, ein richtig böses Ende. Seine Strafe.

Wilhelm Busch erklärt den unglückseeligen Ausgang der Geschichte so:

„Obwohl sein Ende mich bewegt
Ich durft es anders nicht vermelden
Er stirbt, denn tragisch angelegt
War der Charakter dieses Helden“.

Die Moral von der Geschichte: Der Rabe hat einen schlechten Charakter. Deshalb nimmt er auch dieses unschöne Ende.

Auch Goethe übernimmt den schlechten Ruf. Bei ihm gilt die Rabenpost (Faust, Zweiter Teil) für das Überbringen schlechter Nachrichten durch einen Raben als Boten im Gegensatz zur „Taubenpost“.

Warum nur hat der Rabe, ein unschuldiges Tier, solch einen schlechten Ruf?

Nun hat dieser Vogel durch sein (raben)schwarzes Gefieder und die laute krächzende Stimme sicher nicht die besten Voraussetzungen im Tierreich, um von den Menschen geliebt zu werden.

Machen wir doch die Probe. Was empfinden wir persönlich beim Anblick dieser Vögel?

Meine regelmäßigen Fahrten vom Wohnort in die nächste Stadt führen durch ein langes Straßendorf. Die Grundstücke sind so angelegt, dass zwischen der Dorfstraße und den Gehöften größere Wiesen und Weideflächen liegen. Immer wieder fällt mir auf, dass sich nur auf einer bestimmten Rasenfläche ein Krähenschwarm* niederlässt. Es ist schon interessant, welche Gedanken einem dabei durch den Kopf gehen.

Wir sind kulturell geprägt. Und da gilt dieser schwarze Vogel nun einmal nicht als der Friedens- und Glücksbringer. Märchen und Sagen und nicht zuletzt der allseits bekannte Hitchcock-Film „Die Vögel“ haben dabei bei einigen Generationen kräftig mitgeholfen.

 

Doch es war bei Weitem nicht immer so.

In der Mythologie galt der Rabe als dämonisches Wesen.
Der germanische Gott Odin (Wotan), Gott der Weisheit und der Schlachten, konnte sich gelegentlich in einen Raben verwandeln. Außerdem führte er immer „Munin“ (Erinnerung) und „Hugin“ (Gedanke) mit sich: zwei Raben, die er jeden Tag ausschickte, um zu erfahren, was in der Welt Wichtiges geschah. In manchen Auslegungen wurden diese Raben auch als Teil des Gottes beschrieben – also Odins Vernunft und sein Verstand in Vogelgestalt.

 

Da Odin ihr höchster Gott war, verehrten die Germanen die Raben als heilige Göttervögel. Im Vorfeld einer Schlacht galten der Flug und das Verhalten der Tiere als Omen für den Ausgang der kriegerischen Auseinandersetzung. Ein Glaube, der auch schon bei den Babyloniern und im antiken Griechenland eine wichtige Rolle spielte.

Im alten Rom befragten die Auguren – ein sechzehnköpfiges Gremium römischer Beamter – das Vogelorakel, um zu erfahren, ob ein geplantes Handeln den Göttern genehm sei.

Je nachdem, aus welcher Richtung ein Rabe einen von den Auguren abgegrenzten Bereich durchflog, bedeutete das Unheil oder Segen. Kam er von links, war es ein schlechtes Zeichen, von rechts bedeutete eine günstige Konstellation. Flog gar ein Paar in den „Augural-Bezirk“, galt dies als besonders positiv.

Herrscher und Heerführer ließen sich von Rabenvögeln weissagen, ob sie mit ihrem Handeln in die Katastrophe steuerten oder nicht. Schon Aristoteles vermutete, dass die Vögel nicht nur über Instinkt, sondern auch über eine feine Intelligenz verfügten und ihr Handeln danach ausrichteten.

Doch das Verhältnis der Menschen zu Rabenvögeln ist zwiespältig: In der Antike wurden sie, wie beschrieben, als magisch und göttlich verehrt, doch im Mittelalter wendete sich das Blatt. Forthin galten sie als Vorboten von Tod, Unheil und Pest.

Das schlechte Image von Rabenvögeln rührt vor allem von ihrer Neigung, Aas zu fressen. Dabei unterscheiden sie naturgemäß nicht zwischen Mensch und Tier. Nach einer Schlacht mit vielen Toten war der Tisch natürlich reich gedeckt.

Auch war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich am Fleisch gehenkter Zeitgenossen gütlich taten, was ihnen das geflügelte Wort vom „Galgenvogel“ eingetragen hat.

Mit dem Aufkommen des Christentums und der Verdrängung der Naturreligionen veränderte sich das Ansehen der Vögel stark. Das Auftauchen großer Schwärme galt bald als Vorbote von Tod, Unheil und Pestilenz.

Die Welt der Tiere wurde in zwei Gruppen eingeteilt: in die Kreaturen, die dem Menschen nützlich waren, und jene, die ihm schadeten. Schnell zählten Rabenvögel zu den Schädlingen.

Im Mittelalter galten sie als Begleiter von Hexen. Der Aberglaube war so stark, dass eine Frau schon als Hexe verteufelt wurde, wenn ihr eine Krähe zu nahe gekommen war. Noch schlimmer traf es die Elster, die gar selbst als verwandelte Hexe angesehen wurde. Zur Abwehr von Unheil wurde es Brauch, tote Elstern oder Krähen an die Haustür zu nageln.

So manches geflügelte Wort über Rabenvögel hält sich hartnäckig. Die meisten dieser Eigenschaften sind jedoch angedichtet und entbehren jeglicher biologischen Grundlage.

Der Begriff „Rabeneltern“ zum Beispiel fußt auf der Vorstellung aus dem Altertum, Raben würden ihre Jungen verhungern lassen oder sie aus dem Nest werfen. Das Gegenteil ist der Fall. Rabeneltern sind besonders fürsorglich, sie füttern ihren Nachwuchs auch noch, wenn dieser längst flügge geworden ist.

Gerne sprechen wir von einem „rabenschwarzen Tag“, wenn alles schiefgegangen ist. Dieser Gedanke rührt wohl noch aus der biblischen Legende, Raben hätten nur deshalb keine Farben in ihrem Gefieder, weil ihnen ein sündhaftes Wesen eigen sei, sie extrem unzuverlässig und deshalb vom Archenbauer Noah verflucht worden seien. Seither müssten sie zur Strafe das tiefschwarze Federkleid tragen.

Die Palette der Negativbilder reicht vom Kinderlied „Hoppe Hoppe Reiter“ („…fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben“) bis zum „Unglücksraben“.

Aber, dies ist alles üble Nachrede.

Rabenvögel gelten als besonders intelligent: Sie lernen schnell und benutzen Werkzeuge zielgerichtet. Ein Grund dafür, warum die Vögel so schlau sind, könnte in ihrer langen Kindheit liegen. Denn manche Rabenvögel bleiben sehr lange bei ihren Eltern – und haben so viel Zeit, in beschütztem Rahmen auch komplexe Dinge zu lernen.

Doch neben all dieser Cleverness und ihrer mystischen Ausstrahlung haben Raben noch eine weitere Eigenschaft, die die Menschen fasziniert: Sie haben ihren eigenen Kopf, sind frech – und sie spielen.

Im „Tower of London“ leben – laut Aberglaube zum Schutz des Empires – seit Jahrhunderten Raben. Sie sind offiziell bei der Queen angestellt und werden gehegt und gepflegt. Die Touristen lieben die mystischen Tiere, auch wenn sie manchen Schabernack mit ihnen treiben. Mal berichten Besucher von gestohlenen Chips-Tüten, deren Inhalt dann in der Vogeltränke gewaschen und unter den Kumpanen verteilt wird. Mal stellt sich ein Tier tot und springt scheinbar lachend wieder auf, wenn besorgte Besucher den „Raven Master“ geholt haben.

Die Beobachtung, dass Raben Dinge einfach nur so und scheinbar zum Spaß machen, machen Forscher jedoch nicht nur bei den königlichen Exemplaren. Ob Schlittenfahren auf verschneiten Dächern, Loopings auf dem Heimweg oder als blinder Passagier auf Scheibenwischern – die schwarzen Vögel haben richtig Spaß an Unfug. Sie spielen einfach um Spaß zu haben – genau wie wir!“

Und zum Abschluß – hier noch ein kleines lustiges Video.

* – Raben und Krähen bilden zusammen die Gattung Corvus in der Familie der Rabenvögel (Corvidae). Die größeren Vertreter werden als „Raben“, die kleineren als „Krähen“ bezeichnet.
Der Rabe gilt im Aberglauben als der Krähe Mann. Deshalb finden wir viele der dem Raben zugeschriebenen Eigenschaften auch bei der Krähe.

 

 

 

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