Es ist immer wieder wohltuend, aus dem aufgeregten Deutschland in die schwedische Provinz zu kommen oder einfach das Leben hier und dort zu vergleichen.
In meinem heutigen Beitrag bezieht sich diese Aussage jedoch nicht auf die wunderbare Natur, sondern auf das Zusammenleben der Menschen. Es beginnt im Straßenverkehr, im Zug, auf Parkplätzen, am Ticketschalter, im Supermarkt, in der Kirche usw.. Überall dort, wo Menschen zusammentreffen, fällt es uns auf:
Schweden neigen dazu, bescheiden, zurückhaltend und konfliktscheu zu sein. Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit hat höchste Priorität, und Stress wird möglichst vermieden. Dieses Phänomen ist tief verwurzelt im Gesetz von Jante (Jantelage), einem Schlüsselkonzept, um die Menschen in Schweden und Skandinavien zu verstehen.
Ursprünglich formuliert vom dänisch-norwegischen Schriftsteller Aksel Sandemose in den 1930er Jahren, zelebriert das Jantelage eine Art Konformität und „Nicht-auffallen-Mentalität“. Diese Mentalität entspringt historisch dem Bedürfnis nach Zusammenhalt in Zeiten drohender Armut, dem Glauben an gerecht verteiltes Glück und der Erfahrung, wie wichtig die Ehre der eigenen Person und der Familie ist. Der Mann oder die Frau, die sich von der Masse abhoben, die sich selbst überschätzten, gefährdeten das Gleichgewicht und wurden zum Problem.
Die zehn Gebote des Jante lauten:
- Du sollst nicht denken, du seist etwas Besonderes.
- Du sollst nicht denken, du seist so klug wie wir.
- Du sollst nicht in den Tag hineinleben.
- Du sollst nicht denken, du könntest uns ebenbürtig sein.
- Du sollst nicht denken, du könntest klüger sein als wir.
- Du sollst nicht den Eindruck erwecken, du seist besser als wir.
- Du sollst dich nicht über uns lustig machen.
- Du sollst nicht denken, jemand kümmere sich um dich.
- Du sollst nicht denken, du könntest uns etwas beibringen.
- Du sollst nicht denken, du könntest etwas sein.
Obwohl das Gesetz von Jante auf den ersten Blick den Gemeinschaftssinn und die Gleichheit betont, gibt es Kritiker, die argumentieren, dass es eine negative Auswirkung auf individuelle Entfaltung und Selbstverwirklichung haben könnte. Die Betonung der Bescheidenheit könnte dazu führen, dass Individuen zögern, ihre Fähigkeiten und Erfolge anzuerkennen.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Gesetz von Jante nicht in allen nordischen Ländern gleich interpretiert wird. Einige sehen es als wichtigen Bestandteil ihrer Identität und schätzen die daraus resultierende kollektive Mentalität, während andere es als Einschränkung individueller Freiheit betrachten.
Das Gesetz von Jante wirft zweifellos interessante Fragen auf, sowohl über die nordische Kultur als auch über universelle soziale Dynamiken. Die Balance zwischen Gemeinschaftsgeist und individueller Freiheit ist eine subtile Herausforderung.
Als Beispiel des Umgangs mit dem Gesetz von Jante sei hier auch die sogenannte „Du-Reform“ genannt.
In den progressiven Zeitgeist am Ende der Sechzigerjahre passten die umständlichen und altmodischen Anredeformen nicht mehr hinein. Obwohl kein exakter Tag für diese Reform Schwedens festgelegt wurde, gilt der 3. Juli 1967 als Schlüsselereignis. „Es wird mich freuen, zu hören, dass ihr mich mit Bror ansprecht“, sagte da Bror Rexed, Generaldirektor des staatlichen Medizinalwerkes auf einer Versammlung zu seinen Angestellten. Die trauten ihren Ohren nicht. Dann folgte Applaus.
Die Zeitung „Dagens Nyheter“ titelte damals: „Nun wird der Titelwall gesprengt.“
Zwei Jahre später bot der neue Ministerpräsident Olof Palme auf seiner allerersten Pressekonferenz den Journalisten das „Du“ an. Davon inspiriert begannen sie, alle gesellschaftlichen Größen in Interviews zu duzen. Der gefühlte Abstand zwischen den Menschen nahm ab, der Führungsstil in den Unternehmen wurde weicher.
Wie siehst du das Gesetz von Jante? Es hat viele positive, aber auch negative Aspekte.
Ich freue mich darauf, eure Gedanken, Erfahrungen und Meinungen zu lesen.
Ich finde die 10 Gebote von Jante sehr interessant. Für mich sehe ich auch , wie schon erwähnt, positive und negative Auswirkungen. Wobei ich aber das Negative nicht so als Negatives in dem Sinne sehe. Ich würde es vielleicht eher dann auch als Herausforderung betrachten; sich mit den einzelnen Geboten auseinandersetzen.
Nicht einfach so hinnehmen und annehmen. Ich könnte mir vorstellen, daß es etwas mit den Menschen macht, wenn sie diese Gebote befolgen.Die ersten 8 Gebote finde ich okay.Die letzten 2 würde ich als Herausforderung sehen. Ich könnte mir aber auf jeden Fall vorstellen, daß die Menschen hier in Deutschland anders wären, würden sie nach diesen Geboten leben; oder wenigstens zum Teil beachten würden.
Diese Orientierung auf die Gleichheit in einer Gesellschaft und das Wissen, das Menschen, die sich zu sehr auf sich selbst konzentrieren, das Gleichgewicht einer Gemeinschaft gefährden können, erinnert mich irgendwie an die DDR-Zeit.