Den Raum abdunkeln, die Lautstärke maximieren und die Wiedergabe starten:
Der Ton eines Herzschlags durchpulst den Raum.
Ein Mann murmelt: «I’ve been mad for fucking years.»
Ein Irrer lacht,
eine Kasse klingelt,
die Rotoren eines Helikopters knattern,
eine Frau schreit,
der Klang einer Hammondorgel schwillt,
Schlagzeug und Bass setzen ein,
der Gitarrist spielt erste Akkorde…
Das ist der erste Titel einer meiner Lieblingsplatten. «The Dark Side of the Moon», das Konzeptalbum von Pink Floyd, das am 1. März vor fünfzig Jahren erschien. Es hat seither fast tausend Wochen in der amerikanischen Hitparade verbracht und sich über 50 Millionen Mal verkauft.
In der DDR gab es die LP erst einige Jahre später.
Es war eine der gewohnten Warteschlangen vor dem Plattenladen, die den Verkauf von Lizenzplatten signalisierten. Nicht wissend, welche Platte es tatsächlich gab, reihten wir uns damals erwartungsvoll ein und nach 20 Minuten wurde dann sichtbar, um welches Objekt der Begierde es sich tatsächlich handelte. Gekauft wurde jede Lizenzplatte. Wenn der Titel nicht interessierte, wurde getauscht. Die LP’s waren wie Goldstaub.
Aber an diesem Tage hatte ich die Platte mit dem einprägsamen Plattencover, ein Prisma mit den abstrahlenden Spektralfarben, endlich in der Hand.
Die Band verwendete bei den Aufnahmen u.a. Techniken der Avantgarde. So mischte sie Stimmen und Alltagsgeräusche dazu, die sie mit den flüssigen Motiven von Rock, Soul und Pop versöhnte. Die Kombination gleissender Melodien und flüsternder Stimmen mit formalen Konzepten war auf die musikalische Herkunft der Gruppe zurückzuführen. Das Quartett kam von der Psychedelic her, spielte aber Pop-Musik, die es an seinen Konzerten improvisatorisch zerdehnte. Heraus kam eine harmonisch einfache, lyrisch bedrückende Musik. Die Songs klangen warm, die Texte sprachen von Einsamkeit, Gier, Tod und der Angst vor dem Verlassenwerden.
Vor allem das lyrische Gitarrenspiel von David Gilmour bezaubert bei jedem Wiederhören. Zudem berühren und beschäftigen einen auch die Texte. Roger Waters hatte es geschafft, komplexe Gedanken in einfachen Worten auszudrücken.
Die Mitglieder von Pink Floyd wurden Multimillionäre. Aber sie hielten wenig von Starkult. Vielmehr war ihr Bedürfnis nach Anonymität, untypisch für die Rock-Szene, so gross, dass sie auf den meisten ihrer Plattenhüllen gar nicht zu sehen sind.
Besonders Roger Waters, heute 79 Jahre alt, versucht den Konflikt zwischen Reichtum und Engagement mit caritativen Einsätzen zu mildern.
So unterstützt er Kurden und Palästinenser. Die Kritik an der Politik Israels brachte ihn den Vorwurf ein, er sei Antisemit.
Aktuell begibt er sich auf ein weiteres schwieriges Feld: In einem offenen Brief forderte er Putin im vergangenen Jahr auf: „Zurück an den Verhandlungstisch“ und fragte: „Wenn ich Ihre bisherigen Reden richtig gelesen habe, würden Sie gerne einen Neutralitätszustand für eine souveräne, benachbarte Ukraine aushandeln? Ist das korrekt? Angenommen, ein solcher Frieden könnte ausgehandelt werden, müsste er eine absolut verbindliche Vereinbarung enthalten, nie wieder in irgendjemandes Gebiet einzudringen.“
Und er gibt der Nato die Schuld am russischen Überfall und sagte, der amerikanische Präsident Joe Biden schüre das Feuer in Osteuropa, und das sei ein großes Verbrechen. Wenn Biden wolle, sei „der Krieg morgen beendet“.
Am 9. Februar 2023 hatte Roger Waters vor dem UN Sicherheitsrat die Gelegenheit, mit eindringlichen Worten seine Meinung zu äußern: „Ich spreche heute für alle ohne Stimme“ an Putin und Biden -und an alle anderen.
Und so wie es im Moment vielen klardenkenden Menschen geht, kommt er mit solchen Statements in der Öffentlichkeit in das Fadenkreuz von Politik und Mainstream. Die Lösung des Konflikts am Verhandlungstisch und eine Ende der Rüstungslieferungen ist nicht in deren Sinne und es wird zurückgeschossen.
In Deutschland verblödet man sich nicht, Druck auf Veranstalter auszuüben, Roger Waters im Rahmen seiner aktuellen Tournee nicht auftreten zu lassen.
Einfach nur noch traurig und deprimierend.