Zugegeben, wir hatten in der Familie doch etwas „Bammel“ vor den ersten Schultagen unserer Enkelkinder in der Grundskola.
Nach dem emotionalen Abschied bei der lieb gewordenen Waldorf-Schule in Chemnitz folgten lange Sommerferien in der herrlichen schwedischen Natur. Für die Kinder bestand die Zeit aus Baden, Heidelbeeren und Pilze sammeln, gemeinsamen Wanderungen und Freunde kennenlernen. Glücklicherweise gibt es bei unseren wenigen Nachbarn auch Kinder in einem ähnlichen Alter. Die Kontakte zu Eltern und Kindern zu knüpfen, war schnell und unkompliziert möglich.
Es war ein wunderschöner Schwedensommer mit vielen warmen, teilweise auch richtig heißen Tagen, kurzen Nächten und lauen Abenden.
Und nun der Start in einer vollkommen neuen Schule in einem anderen Land, in neuen Klassen, neuen Lehrern und in einer unbekannten Sprache.
Seit Beginn unserer Überlegungen zur Auswanderung, haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wie unsere Kinder diesen Einschnitt in ihr bisheriges Leben meistern werden und wie wir sie darin unterstützen können.
Das Gelingen dieses großen Schrittes war für uns das wichtigste Kriterium für den Erfolg der Auswanderung.
Und dann kam er – Dienstag, der 23.August 2022, der erste Schultag in Schweden.
Jetzt, nach nun fast drei Wochen, können wir zusammengefasst feststellen: die Kinder gehen gerne in die Schule.
Jeden Tag pünktlich hält der Schulbus fast vor der Haustür. Hier werden sie abgeholt und wieder zurück gebracht. Am ersten Schultag wurden sie mit Handschlag vom (zufällig) auch deutsch sprechenden Busfahrer begrüßt.
Es gibt schon einige Freundinnen und Einladungen zu Geburtstagen.
Das Sprach“problem“ ist eigentlich keins. Dort wo es mit Schwedisch nicht weitergeht, gibt es Englisch oder die „Hände und Füße“. Außerdem werden die deutschsprechenden Schüler regelmäßig von einer deutschen Lehrerin in Schwedisch unterrichtet.
Es ist für uns Erwachsene beeindruckend, wie die neue Sprache fast wie im Spiel in das Leben unserer Kinder Einzug hält. Das fällt zumindest den Großeltern bedeutend schwerer.
Alle, also auch die Lehrer, werden mit DU und dem Vornamen angesprochen. Dies ist in Schweden allgemein üblich. Bis auf die Mitglieder des Königshofes gibt es kein SIE mehr. Das ist schon etwas gewöhnungsbedürftig, macht das Leben in vielen Fällen aber auch einfacher.
Die „zentnerschweren“ Ranzen sind hier unbekannt. Wenn die Kinder etwas von zu Hause mit in die Schule mitnehmen, dann ist es ein kleiner Imbiss und evt. Sportsachen.
Selbst für die Schüler der Grundskola ersetzt bereits das persönliche, von der Schule zur Verfügung gestellte i-Pad eine Vielzahl von Schulbücher. Auch deshalb gibt es die randvoll gefüllten Ranzen nicht mehr.
Zu den Besonderheiten des schwedischen Schulsystems gehört, dass niemand zurückgelassen werden soll, jeder sollte die gleichen Chancen haben. Dieser Grundsatz prägt das Schulsystem bereits viele Jahrzehnte. Weitere wesentliche Unterschiede zum deutschen Schulsystem sind, dass Noten erst ab der 6. Klasse vergeben werden und es das Sitzenbleiben nicht gibt.
Damit kein Kind zurückbleibt, gibt es an den Schulen eine Vielzahl an Unterstützungsmöglichkeiten. Die wichtigsten sind wohl die individuellen Entwicklungspläne und die Entwicklungsgespräche. Beide Elemente sollen dazu beitragen, Stärken und Schwächen der Schüler zu identifizieren, ihnen zu helfen, gemeinsam festgelegte Ziele zu erreichen, und nicht zuletzt sie an ihrem eigenen Lernprozess teilhaben zu lassen. So sind an den halbjährlichen Entwicklungsgesprächen nicht nur Lehrer und Eltern, sondern auch die Kinder selbst beteiligt.
Mittags bekommen die Schüler ein kostenloses Essen. Auch der Transport zur Schule sowie Schulbücher, -hefte und sonstige Schreibsachen werden von der Kommune, dem Schulträger, gestellt.
Dies ist ein kurzer, aber uns insgesamt optimistisch stimmender Eindruck in dieses Schulsystem, was sicher auch seine Schattenseiten hat.
Wir Großeltern und die Eltern freuen uns jeden Tag, wenn wir unsere Mädchen beobachten, wie sie mit Spaß und Freude zum Schulbus laufen und uns am Nachmittag von ihren Erlebnissen erzählen.
Und es erfüllt uns mit Stolz und Genugtuung.