Am Wochenende waren wir shoppen.
Nein, das was uns in Deutschland nie in den Sinn gekommen ist, werden wir uns auch in Schweden nicht angewöhnen – das planlose Schlendern und Einkaufen in den großen Konsumtempeln. Obwohl diese „Tempel“ hier fast noch größer und bunter, also noch verlockender sind, als wir sie in Deutschland gekannt haben.
Aber etwas Ähnliches haben wir schon gemacht: wir waren auch planlos shoppen, aber in Loppis, den schwedischen Flohmärkten in unserer Region. Diese sind enorm populär. In Zeiten von Upcycling und nachhaltigem Konsum sind Trödel-, Floh- und Antikmärkte wahre Fundgruben für Wohnaccessoires und charaktervolle Antiquitäten.
Die meisten »Loppis« finden nicht nur einmalig sondern regelmäßig statt und werden in Scheunen, Garagen, auf Bauernhöfen oder in ehemaligen Werkhallen abgehalten. Dass es inzwischen professionelle »Loppis«-Veranstalter gibt, ist für die Loppis-Jäger und Sammler nur gut!
In unserer Nachbarstadt (ca. 6.000 Einwohner) gibt es zwei ständig geöffnete große Flohmärkte. Diese werden von gemeinnützigen Vereinen geführt. Wenn ich „groß“ sage, dann sind diese vergleichbar mit der Fläche von Lebensmittel-Discountern. Jeder der für diese Einrichtungen etwas spenden möchte, bringt dies direkt in die Loppis, lässt es abholen oder gibt dies im örtlichen Wertstoffhof ab. Technische Artikel werden daraufhin geprüft und ggf. repariert und kommen dann in den Markt.
Zusätzlich existieren im Ort noch weitere ca. vier kleinere Loppis, welche aber zum großen Teil nur während der Urlaubs-Saison geöffnet sind.
Das Angebot ist wirklich riesig – vom antiken Sofa bis hin zum silbernen Löffel gibt es alles. Und das Ganze ist auch preiswert.
Allein schon der Besuch auf einem »Loppis« ist ein Erlebnis und lohnt sich – und das auch ohne besondere Kaufabsichten.
Die großen, von den Vereinen geführten Loppis gestalten sich zu regelrechten Bürger-Treffs. Hier kann ich mit dem Nachbarn über die Qualität einer angebotenen Bohrmaschine fachsimpeln, eine Tasse Kaffee trinken, einen Imbiss einnehmen und dem ganzen Treiben ganz in Ruhe zuschauen. Also lässt sich auch hier eine richtig gemütliche schwedische Fikas (Kaffeepause) zelebrieren. Und mit ein wenig Glück gibt es dazu sogar noch gratis Live-Musik von einem noch nicht verkauften Klavier.
Die Schilder mit “Loppis” (manchmal auch “Antikt”) stehen auch gern an vielbefahrenen Landstraßen. Sie weisen nicht selten auf Häuser und Höfe direkt neben der Straße hin. Dazu bieten sie in der Scheune, in der Garage oder unter freiem Himmel alles an, was sie an Originellem, Antikem oder einfach nur Ungenutztem bei sich, den Verwandten und den Nachbarn haben finden können: Bücher, Porzellan, Glas, Spielzeug, Hausrat, Möbel, LPs und CDs, Musikinstrumente, Gemälde, Tischwäsche, Lampen, Trödel und Vieles mehr.
Manchmal weisen die Schilder auch auf ein Ziel hin, das weiter weg von der Landstraße liegt. Das ist spannend. Man weiß nicht, wohin einen die Schilder führen: zu einem alten Hof mit bäuerlichen Antiquitäten, zu einem von Kindern veranstalteten Garagenflohmarkt, zu einer Haushaltsauflösung oder zu einer anderen Art von Loppis?
Für manche Schweden gehören Loppis-Besuche einfach zum Leben dazu. Die Jagd nach dem “fynd” (“Fund, Schnäppchen, günstige Gelegenheit”) kann zur Leidenschaft werden: vielleicht ein Kochbuch für 5 Kronen, eine klassische CD für 10 Kronen, eine Lampe für 50 Kronen oder ein Tisch für 100 Kronen?* Das Feilschen ist zwar nicht allzu beliebt, aber wenn es maßvoll bleibt (z.B. beim Kauf mehrerer Gegenstände) wird es durchaus akzeptiert. Wir haben aber auch schon erlebt, dass uns ein Rabatt ohne vorheriges Verhandeln eingeräumt wurde.
Bei manchen Garagenflohmärkten gibt es übrigens niemanden, der kassiert. Man nimmt sich dann, was einem gefällt und zahlt in eine Kasse des Vertrauens. Oder das Ganze erfolgt bargeldlos mit dem Smartphone via SWISH. Schweden auf dem Land gehen davon aus, dass man ehrlich ist.
Unsere Jagdbeute am Wochenende war ein antiker Sessel, ein stolzer Gartenzwerg und allerlei Krims-Krams für das bevorstehende Julfest (Weihnachtsfest). Zusammen mit einer gemütlichen Fikas hatte sich der Nachmittag für uns gelohnt.
* 1 Schwedische Krone entspricht 0,092 Euro (16.11.2022)