Die Schweden und das Bargeld
Die Schweden und das Bargeld

Die Schweden und das Bargeld

„Im Frühjahr 2023 ist Schluss mit Bargeld in Schweden“.
Das war im Herbst 2018 die Prognose, die die Königliche Technische Hochschule und die Copenhagen Business School errechnet hatte. Münzen und Banknoten sollten zwar nicht abgeschafft sein, aber irrelevant, weil kein Händler sie mehr akzeptieren würde.

An diesem „Ziel“ sind die Schweden so nah wie kein anderes europäisches Land. Aber diese Prognose ist noch nicht Realität geworden.  Man hat mit mehreren Faktoren nicht gerechnet. Doch dazu später.

Wer schon einmal in den letzten Jahren in Schweden im Urlaub war, weiß, dass das Verschwinden des Bargeldes nicht zu übersehen ist.
Das Bargeld ist nach wie vor existent und es gibt z.Bsp. in den Supermarkt Kassen, an denen Bares genommen wird.

Ich persönlich hatte nach unserer Ankunft in Schweden im vergangenen Jahr nur kurze Zeit Scheine und Münzen im Portemonnaie. Die Bankomaten sind selbst in den Städten sehr selten. Und spätestens nach Eröffnung eines schwedischen Bankkontos war  dies Geschichte. Smartphone und Kreditkarte ersetzten das gefüllte Portemonnaie.

Treiber des Trends, Bargeld abzuschaffen, waren und sind in Schweden angeblich vor allem die Kunden, aber auch Banken und Gewerkschaften. Letztere sehen in der Abschaffung von Bargeld nicht zuletzt eine Möglichkeit, Raubüberfälle zu reduzieren. Und für die Kunden selbst ist das bargeldlose Zahlen in Schweden schon lange sehr bequem. Während im Jahr 2010 noch 39 Prozent der Befragten in einer Umfrage der Schwedischen Nationalbank angaben, beim letzten Einkauf mit Bargeld bezahlt zu haben, waren es 2018 nur noch 13 Prozent. In Deutschland wurden 2021 noch 58 Prozent der Transaktionen mit Scheinen oder Münzen getätigt.

Die Liste der bargeldlosen Bequemlichkeiten ist lang.
Die Imbissbude am Strand oder die Verkäuferin auf dem Flohmarkt akzeptiert selbstverständlich Kartenzahlungen. Einkäufe auf Wochenmärkten und sogar die Kollekte in der Kirche funktionieren nur per App.

 

Im Restaurant oder in der Pizzabude um die Ecke oder beim Zahnarzt – kein Bargeld. Trinkgeld ist nicht üblich – also dafür benötigt man auch kein Bargeld. Ganz kritisch kann die Sache aber an öffentlichen Toiletten werden. Ohne Kreditkarte oder Bezahl-App öffnet sich keine Tür. Parkgebühr nur online. Die Bezahlung an Tankstellen, auch an den Autobahnen, erfolgt zum größten Teil am Automaten mittels Kreditkarte.  Selbst die in DE noch übliche Münze für den Einkaufswagen wird nicht benötigt. 


Einen regelrechten Turbo hat dieser Entwicklung die bereits 2012 von einer breiten Bankenallianz eingeführten genialen Zahlungslösung SWISH verliehen – noch bevor die Bezahldienste Google Play oder Apple Play eine Rolle spielten. Per Handy-App schickt der Nutzer Geld in Echtzeit an die Swish-Nummer des Verkäufers. Diese App ist einfach zu bedienen, sicher und für Privatnutzer kostenfrei. Schon 2017 nutzten 60 Prozent der Schweden die App, 2022 waren es acht von gut zehn Millionen Schweden. 
Der Dienst funktioniert über eine Smartphone-Anwendung, über die die Telefonnummer des Benutzers mit seinem Bankkonto verbunden ist und die es ermöglicht, Geld in Echtzeit zu überweisen, einige Sekunden, bis die Bestätigung von beiden Parteien empfangen wird.

Alles in Allem, es lädt die Schweden regelrecht ein, auf das gute alte Portemonnaie zu verzichten und irgendwie bleibt einem auch nichts Anderes mehr möglich, um am öffentlichen Leben teilzunehmen. 
Zugegeben, uns kritische Deutsche fiel es nicht leicht, dies zu akzeptieren. Für die Schweden aber in ihrem unendlichen Vertrauen in „Gott und Vaterland“ ist es das eine ganz normale Entwicklung. Diese Möglichkeiten machen das Leben einfacher aber man muss dafür den Verlust eines Teils Privatsphäre in Kauf nehmen.

Aber bis zum endgültigen und kompletten Verschwinden des Bargeldes wird es wohl noch eine ganze Zeit dauern. Denn im Zuge der europaweiten angespannten Energiesituation und als Folge der Russophobie beginnt man nachzudenken, wie es wohl wäre, wenn in Krisensituationen der Strom und das Internet abhanden kommen… Da wäre es doch eigentlich gar nicht so verkehrt, doch immer noch Bargeld zur Verfügung zu haben.

 

 

 

 

Ein Kommentar

  1. Wechselbürger

    Hallo liebe „Neuschweden“,
    ist ja interessant, dass Schweden so weit mit dem bargeldlosen Bezahlen ist. Wir sind da sehr skeptisch, denn man wird immer „gläserner“ und damit auch für Staat, Wirtschaft und Organsisationen ausrechenbarer, manipulierbarer und steuerbarer. Wir zahlen nur mit Karte, wenn die Beträge zu hoch sind. … Aber auch in Deutschland liest und hört man immer wieder mal, dass da welche an der Kurbel stehen und das Bargeld begrenzen und möglichst abschaffen wollen. Aber in dieser Sache sind wir Deutsche doch sehr mißtrauich unserer Obrigkeit gegenüber auch gerade wegen den herrschenden Probleme (Russland, Klima, Energie, Inflation) ist dieses Problem etwas aus dem Fokus gerückt. Und mit der Hysterie nach den Atomkraftabschaltungen und möglichen Energieproblemen wurde auch spekuliert, was wäre dann …..

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