Unsere unbekannten Mitbewohner, 2. Teil
Unsere unbekannten Mitbewohner, 2. Teil

Unsere unbekannten Mitbewohner, 2. Teil

Die Häuser der Menschen waren über Jahrhunderte erfüllt von sonderbaren Wesen, die wir heute zum Großteil vergessen haben.

Die Hausgeister – diese bunten, manchmal lustigen, aber vielfach auch grausamen Gestalten begleiteten ganze Generationen in Liedern, Erzählungen und schlugen sich auch in ihren Bräuchen nieder.

Während in Ländern wie Schweden, Großbritannien, Island und vielen slawischen Ländern das »mythologische Erbe« bis in die heutige Zeit bewahrt und liebevoll gepflegt wird, fristet die Folklore vieler mitteleuropäischer Länder, Deutschland eingeschlossen, ein eher trauriges Dasein.
Regionale Folklore hat längst den Schulunterricht verlassen, gilt sie doch oft als veraltet und uninteressant. Dabei hat jede Region Europas ihre eigenen, unverwechselbaren Erzählungen hervorgebracht, die es zu bewahren und zu erzählen wert sind.

Aber noch immer schlummert diese Faszination in uns. Fantastische Romane und Filme sind in aller Munde, Geschichten von »Elfenbeauftragten« in Island faszinieren Menschen und treiben den Tourismus an.
Das Interesse an fremden Sagengestalten und Fabelwesen ist noch heute ungebrochen und findet beständig Einlass in die moderne Popkultur. Nicht umsonst faszinieren uns auch gerade solche Werke wie z.B. „Der Herr der Ringe“ von J.R.R. Tolkien.

Aber es ist es wert, auch die eigene Mythologie zu kennen und vielleicht auch, daran anzuknüpfen und Traditionen zu pflegen?

Nach skandinavischem Volksglauben wohnen die Hausgeister in großen Steinen in der Nähe des Hauses, weshalb diese auch nord. Tomtebissens stuga (d.h. ‚Stube des Hausgeists‘) oder der Geist selbst nord. Haugbonde genannt werden. In den Bergen und Steinen leben aber auch die Seelen der Verstorbenen fort, und so mag der Hausgeist ursprünglich der Geist des Haus-Erbauers, die Ahnenseele gewesen sein, wie ja auch heute noch vielfach Hausgeister Seelen Verstorbener sind.

In Deutschland am verbreitetsten war der Kobold, der seit dem 13. Jh. ziemlich allgemein wird. Daneben finden sich andere Namen, die sich aus seinem Auftreten, seinem Wesen erklären: Tatermann, Poltergeist, Bullermann, Rumpelgeist, Rumpelstilz, Mumhart, Butzemann, Hütchen oder Güttchen.

Der Kobold gehört im germanischen Volksglauben zu den Alben. Er ist ein Haus- und Schutzgeist und sein Name bedeutet: der „der Kobe (= dem Haus) hold“ ist (vgl. Holden) . Zwar werden dem Kobold zahlreiche Neckgeschichten nachgesagt, doch eigentlich ist er ein guter Geist, ein Schutzgeist und der geheime Herrscher über Haus und Hof.

Und jetzt schliesst sich der Kreis zu der, im letzten Hausgeister-Beitrag erwähnten, beliebten Figur aus unseren Kindertagen. Nicht umsonst hat das Kinderfernsehen der DDR mit dem frechen Kobold Pittiplatsch über Jahrzehnte geholfen, bei Generationen von Kindern unbewusst die Erinnerung an unsere Mythologie wachzuhalten. Ob das pädagogische Konzept, welches hinter der Figur Pittiplatsch stand, bewusst darauf ausgerichtet war, nehme ich durchaus an.

Die Namen der Geister im Haus sind zahlreich.
Kurz erwähnt seien auch solche Geister wie der Drak. Ein feuriger Drache, welcher dem Hausherren Reichtum bringen konnte. Oder das Geldmännlein und das Holzfräulein. Beiden wurde, ähnlich dem Drak, Wohlstand und Reichtum nachgesagt.

Und, damit wir nicht die fast wichtigsten Hausgeister vergessen – hier kommen sie: die Heinzel- oder Wichtelmännchen.

Anders als der Kobold traten Wichtel meist in Gruppen von zwei, drei oder sogar in noch größerer Anzahl auf und waren nicht an eine Familie oder einen Hof gebunden. Vielmehr lebten sie in einer eigenen Gesellschaft, mit Männern und Frauen weitab vom Menschen unter der Erde, in Berg- und Felshöhlen, was Ihnen auch den Namen »Unterirdische« einbrachte.

Von dort kamen sie in die Häuser der Menschen und dienten klaglos als freundliche, wohltätige Hausgeister – solange man es sich mit ihnen nicht verscherzte.

Auf diese Weise brachten sie Glück und Wohlstand in Haus, Hof und Werkstätten.

Das Wichtel-Motiv wurde insbesondere durch die Sage der Kölner Heinzelmännchen am Leben erhalten.

Das fleißige Völkchen der Heinzelmännchen konnte aber eines überhaupt nicht leiden – die kränkenden Neugier der Menschen.

„… und seit dieser Zeit verloren sich die Heinzelmännchen ganz; wie überhaupt überall durch den Vorwitz der Leute, der schon so manches Schöne in der Welt zerstört hat. Die Heinzelmännchen zogen darauf in gesamter Masse unter klingendem Spiele aus der Stadt; man hörte aber nur das Spiel, denn Niemand konnte die Männlein sehen, die sich darauf in ein Schiff setzten und wegfuhren, wohin? Weiß Niemand. Doch sollen mit den Heinzelmännchen auch die guten Zeiten Cölns verschwunden seyn.«

aus Weyden, Ernst (1826): Cöln’s Vorzeit, S.200f.

Bei der Lektüre dieser Beiträge wird es bewusst – viel ist von dieser Mythologie der Tradition der Hausgeister in unserer Kultur verloren gegangen.
Aber es gibt Völker, welche diese Traditionen auch noch in der Gegenwart weitaus lebendiger und liebevoller in ihr Leben integrieren.
Deshalb möchte ich im nächsten Beitrag über „Unsere unbekannten Mitbewohner“ von den russichen Hausgeistern, den Domovoi (Домовой) berichten.

Meine Literaturempfehlung für Kinder (ab 9 Jahre) und Erwachsene:
Johan Egerkrans, Nordische Wesen, AtriumVerlag Zürich, ISBN 978-3-96177-041-0

 

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