In der nachfolgenden kleinen Geschichte, die wahlweise Henry Nouwen oder aber Míla Rejlková zugeschrieben wird, sprechen Zwillinge im Bauch der Mutter miteinander. Wir müssen leise sein, um ihnen zuhören zu können.
Lest die Geschichte und fragt euch beim Lesen, welchem Embryo Ihr euch zuordnen würdet. Ganz am Ende der Geschichte klärt nur für euch, welche Antwort die (nur für euch) überzeugendere ist. Und dann haltet die Stille aus und genießt sie.
Stille ist kostbar, laut wird alles von allein. Es braucht stille Tage und es braucht tanzfreie Stunden, damit wir die Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen im Leben auch finden und hören können.
„Gibt es ein Leben nach der Geburt?
Im Bauch einer schwangeren Frau waren einmal eineiige Zwillinge. Obwohl sie einander vollkommen glichen, war ihre Einstellung sehr unterschiedlich: Der eine war eher skeptisch eingestellt, der andere gläubig. Oder vielleicht eher realistisch? Hört hin, was sie so diskutieren:
Der kleine Skeptiker fragt:
Glaubst Du immer noch an ein Leben nach der Geburt?
Der kleine Gläubige:
Ja, klar, das gibt es. Unser Leben hier ist nur dazu gedacht, dass wir wachsen und uns auf das
Leben nach der Geburt vorbereiten, damit wir dann stark genug sind für das, was uns erwartet.
Der kleine Skeptiker:
Blödsinn, das gibt’s doch nicht. Wie soll denn das überhaupt aussehen ein Leben nach der Geburt?
Der kleine Gläubige:
Das weiß ich auch nicht so genau. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht
werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen.
Der kleine Skeptiker:
So ein Quatsch! Herumlaufen, das geht doch gar nicht. Und mit dem Mund essen, so eine
komische Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Außerdem geht das gar nicht, dass es ein Leben nach der Geburt gibt, weil die Nabelschnur schon jetzt viel zu kurz ist.
Der kleine Gläubige:
Doch, es geht bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders.
Der kleine Skeptiker:
Es ist noch nie einer zurückgekommen von nach der Geburt. Mit der Geburt ist das Leben zu
Ende. Und das Leben ist eine einzige Quälerei. Und dunkel.
Der kleine Gläubige:
Auch wenn ich nicht so genau weiß, wie das Leben nach der Geburt aussieht, jedenfalls werden wir dann unsere Mutter sehen und sie wird für uns sorgen.
Der kleine Skeptiker:
Mutter?!? Du glaubst an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?
Der kleine Gläubige:
Na hier, überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.
Der kleine Skeptiker:
Quatsch! Von einer Mutter habe ich ja noch nie was gemerkt, also gibt es sie auch nicht.
Der kleine Gläubige:
Manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere
Welt streichelt. Ich glaube auf jeden Fall, dass unser eigentliches Leben erst dann beginnt!