Die Buche – Mutter des Waldes / Teil 1
Die Buche – Mutter des Waldes / Teil 1

Die Buche – Mutter des Waldes / Teil 1

Die Menschheit wurde von den Bäumen biologisch und auch seelisch geprägt. Ohne die Bäume und ohne den Wald hätte es die Primatengattung Homo gar nicht gegeben. Bäume sind unsere Eltern; aus ihnen sind wir hervorgegangen. (1)

Im vergangenen Jahr konnte ich, verteilt über die Jahreszeiten, an einer Ausbildung am Ethnobotanischen Institut von Dr. Sarah und Patrick Moritz in Freisen / Saarland teilnehmen.
Mich umgab dort eine wundervolle Natur, die in vielen Details anders und unberührter war, als ich sie aus meiner Heimat in Sachsen kannte. 

 


Der Seminarort lag abgelegen von einem Dorf direkt an einem alten Buchenwald.
Während meines Aufenthaltes wurde eine schöne Tradition gepflegt: eine tägliche Meditation in der Natur. Jeder konnte für sich einen geeigneten Platz suchen. Entweder im Wald, den angrenzenden Wiesen, auf einer Bank am Weg oder versteckt an einem der vielen blühenden Weißdornbüsche. Es ging dabei nicht darum, einen Baum zu umarmen und „lieb zu haben“ oder eine Pflanze zu suchen, die mit uns sprechen wollte. Nein. Wir wollten ganz nüchtern erkunden, ob es möglich ist, den Kopf leer zu machen, um dann in den Baum oder die Pflanze hineinzuspüren.
Intuitiv wählte ich meinen Platz an der Wurzel einer alten Buche. Der Baum lud mich ein, bei ihm Platz zu nehmen und mit ihm den Lauf des Jahres zu erleben. 
Die ersten „Sitzungen“ waren für mich schwierig. Aber zunehmend gelang es, das Zeitgefühl und die ständig ablaufenden Gedanken abzulegen. Was blieb, war ein leerer Kopf, der sich mit der Natur verbunden fühlte. Mein Gastgeber, die Buche, gab mir die innere Sicherheit und die Geborgenheit für diese Einkehr. Sein riesiger schlanker Stamm half mir zu spüren, das ich kleiner Mensch ein Teil der Natur bin.
Nach 20 Minuten war die Meditation zu Ende. Kein Wecker, kein Handy löste uns; es war der wohltuende Ruf eines Muschelhorns. 

Aber nicht über diese Meditation möchte ich hier berichten. Dies kann Inhalt eines späteren Beitrages werden. 
Titel dieser Beitrags-Folge ist die Buche. Meine, über die Jahreszeiten verteilten Meditationen waren intensive Erlebnisse und  spannende Entdeckungsreisen mit dem Ziel, mich in meinem Körper zu spüren und eins zu fühlen mit der Natur. Die Buche war mir dabei Freund und Helfer.

In einigen der folgenden Beiträgen in dem Tagebuch werde ich mich mit der Buche, einem der heiligen Bäume in Deutschland, beschäftigen. Der Inhalt wird dabei weniger auf seiner wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung liegen, sondern ich möchte hier vor allem seine Gewichtigkeit in der Menschheitsgeschichte, besonders der europäischen Kultur und den mythologischen Hintergrund beleuchten.
Ich bin während meiner Recherchen und dem Literaturstudium auf viele interessante und überraschende Details gestoßen.

Die Rotbuche (Fagus sylvatica) ist ein in weiten Teilen Europas heimischer Laubbaum aus der Gattung der Buchen (Fagus). In der Umgangssprache wird sie gewöhnlich als Buche bezeichnet. Die botanische Schreibweise Rot-Buche betont die Zugehörigkeit zur Gattung der Buchen.  Der Namensteil „Rot“ bezieht sich auf die mitunter leicht rötliche Färbung des Holzes, die beim Holz der Hainbuche, die auch als Weißbuche bezeichnet wird, nicht vorkommt. Buchen mit roten Blättern gehören zur Varietät Blutbuche. Weil die Rotbuche die einzige in Mitteleuropa heimische Art der Buchen (Fagus) ist, wird der Zusatz zur Artbezeichnung oft weggelassen. (2)

Ohne das Wirken des Menschen wäre der größte Teil Deutschlands (rd. 2/3 der Landfläche) mit Buchen und Buchenmischwäldern bedeckt.
Die Rückeroberung Europas durch die Buche begann relativ spät nach der Eiszeit vor rd. 5.000 Jahren von Süd nach Nord. Sie folgte den bis dahin dominierenden Mischwäldern aus Birke, Eiche, Linde, Ulme, Ahorn, Esche und Kiefer und entwickelte sich zur beherrschenden Klimaxbaumart, die sich als einzige Baumart weiter ausbereitet. Diese Erfolgsgeschichte hat die Buche ihrer enormen Konkurrenzkraft gegenüber ihren Mitstreitern im Kampf um Platz, Licht, Wasser, Nähr- und Mineralstoffe zu verdanken. Der Hauptvorteil der Buche liegt dabei in ihrer speziellen Kronenarchitektur, welche die Fähigkeit hat sowohl dichten Schatten zu werfen als auch ertragen zu können. Außerdem ist sie so anpassungsfähig wie kaum eine andere Baumart. Sehr große klimatische, ökologische und standörtliche Amplituden stellen für die Buche kein Problem dar.

Mutter des Waldes wird die Buche mit gutem Grund genannt. Buchenlaub ist ein Wundermittel für karge Böden. Die Buche sorgt für gute Humusbildung und gründet tiefe, nährstoffreiche Böden für die ganze Baumfamilie. Das ist aber noch lange nicht alles, was diese gute Mutter für ihren Wald tut. Ihre mächtigen Herzwurzeln dringen in tiefe Erdschichten vor und schützen mit ihrer festen Verankerung auch die flachwurzelnden Fichten vor der Gewalt des Sturmes.

Buchen verdunsten an heißen Tagen unglaubliche Wassermengen, bis zu 200 Liter pro Tag und Baum, und können so das ganze Waldklima ausgleichen und verbessern. Die Buche zählt zu den größten Energiebäumen der Europäischen Wälder. Sie schützen gegen Sturmgewalt und verleihen Abwehrkräfte gegen Insektenfraß. Vitalität und Lebenskraft bringt sie ein, diese große Dame. Mit ihrer klaren, mütterlichen Energie vermag sie sogar zur Urgewalt der Eiche einen Gegenpol zu bilden.

 

(1) Wolf-Dieter Storl, Unsere fünf heiligen Bäume, KNAUR Menssana
(2) Wikipedia

2 Kommentare

  1. Lieber Joachim,
    was Du schreibst, besonders hinsichtlich ihrer behütenden Kraft konnten wir jetzt in den Bergen Sloweniens an vielen, vielen Stellen ganz sinnlich konkret betrachten, Buchen und Fichten, die sich herzlich umarmen … ja, wenn sie sein und wachsen dürfen.
    Allerdings habe ich bei Fichten auch andere beobachtungen gemacht: sie können auch tief wurzeln. Und meine Eltern, welche nach dem Krieg Fichtenstöcke rausgetan haben, bestätigten mir das als sie mir von der Herzwurzel der Fichte erzählten, welche in die Tiefe geht und erst bei deren löslösen der Stock aus der Erde geholt werden konnte. Vielleicht ist das Flachwurzeln, wie manche berichten, auch auf das jahrhundertlange Wirken der „modernen“ Bodenverfestigungen zurückzuführen.
    Was sagst Du?
    Beste Grüße aus dem Erzgebirge
    Hendrik vom wieder einmal arg verletzten Scheibenberg

    1. Lieber Hendrik,
      ich habe zu dem Thema mal ein wenig „geforscht“. Auch bei der Fichte mit den typischen Flachwurzeln gibt es anscheinend Ausnahmen, bedingt durch den Bodentyp. Die windanfälligen Flachwurzeln bilden sich meistens in schweren und nassen Böden, die eine schlechte Durchlüftung der Wurzeln bieten. Hier kann es passieren, dass die Wurzeln tatsächlich nur 20 oder 30 Zentimeter tief in der Erde liegen. In solchen Lagen ist die Fichte natürlich gut beraten, wie von dir beschrieben, die Freundschaft der Buche zu suchen.
      Gut durchlüftete durchlässige Böden ermöglichen es der Fichte dagegen, auch Senkwurzeln auszubilden, die bis zu zwei Meter tief in die Erde wachsen. Eine solche Fichte ist natürlich sehr viel windverträglicher. Das sind dann wahrscheinlich diese Herzwurzeln, mit denen sich deine Eltern beim Roden der Stöcke so quälen mussten.
      Das war mir jetzt auch neu.

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