Einer unserer Nachbarorte ist die malerische Stadt Karlsborg mit etwa 8.000 Einwohnern. Sie liegt idyllisch eingebettet zwischen den Seen Vättern und Bottensjön und wird vom berühmten Göta-Kanal durchzogen.
Das beeindruckendste Bauwerk von Karlsborg ist die imposante Festung, die das Stadtbild prägt. Diese Verteidigungsanlage aus dem 19. Jahrhundert gehört zu den größten Festungsbauwerken Europas. Wer die geographische Lage von Karlsborg kennt, reibt sich erstaunt die Augen: eine Festung, mitten im Land und weit entfernt von Grenzen oder Küsten?
Diese ungewöhnliche Lage weckte mein Interesse, die historischen Hintergründe des Festungsbaus zu erforschen. Denn es zeigte sich, dass die Geschichte der Karlsborg-Festung nicht nur Licht auf Schwedens Vergangenheit und sein traditionelles Verhältnis zu Russland wirft, sondern auch Fragen zur heutigen sicherheitspolitischen Situation des Landes aufwirft.
Schwedens Geschichte mit Russland bis etwa Anfang des 19. Jahrhunderts ist von militärischen Konflikten geprägt, da das Land im Rahmen seiner Expansionspolitik die Dominanz im Ostseeraum sichern wollte. Doch obwohl einige dieser Invasionen erfolgreich waren, erwies sich Russland, insbesondere im Großen Nordischen Krieg, als überlegener Gegner. Die vernichtende Niederlage bei Poltawa besiegelte das Ende von Schwedens Großmachtstellung. Russlands militärische Stärke und das harsche Klima erschwerten es zunehmend, auf russischem Boden Erfolge zu erzielen.
Diese historischen Erfahrungen prägten eine tief verwurzelte Vorsicht gegenüber Russland. Diese Ressentiments wurden vor allem durch die Medien langjährig und angesichts der aktuellen Außenpolitik bis heute gepflegt.
Der damalige schwedische König Karl XIV. Johan hatte im 19. Jahrhundert eine kühne Vision. Angesichts der Spannungen mit den europäischen Großmächten, insbesondere Russland, glaubte er, dass eine Küstenverteidigung allein nicht ausreichen würde. Seine radikale Idee war, dass das Herz Schwedens – die Regierung und die königliche Familie – im Falle eines Angriffs geschützt sein sollte. Nicht an den Grenzen, sondern weit im Landesinneren, fernab der Küsten. Der Ort Karlsborg, damals Vanäs genannt, schien ideal für diese visionäre „Notfallhauptstadt“.
So begann eines der ambitioniertesten Bauprojekte Europas. Die Festung Karlsborg sollte weit mehr sein als ein militärischer Stützpunkt: Sie sollte die „Reservehauptstadt“ Schwedens werden – eine geschützte Zufluchtsstätte, in der König, Minister, der Staatsschatz und die Militärführung im Notfall sicher wären. Kilometerlange Festungsmauern, Kanonen, Vorratslager und Unterkünfte – praktisch eine Stadt in der Stadt – wurden errichtet. Man sagte, die Festung sei so gewaltig, dass sie niemals vollständig fertiggestellt werden könne – und tatsächlich zogen sich die Bauarbeiten fast ein Jahrhundert hin.
Noch bevor die Festung einsatzbereit war, hatte sich ihre ursprüngliche Funktion überlebt. Fortschritte in der Militärtechnik, Schwedens veränderte Außenpolitik und die Entwicklung neuer Verteidigungsstrategien machten Karlsborgs Rolle als „Reservehauptstadt“ obsolet. Stattdessen übernahm die Festung andere militärische Aufgaben.
Nach dem Verlust Finnlands an Russland im Jahr 1809 zog sich Schweden aus der Großmachtpolitik Europas zurück. König Karl XIV. Johan führte eine außenpolitische Strategie der Friedenssicherung und Neutralität ein. Der Fokus lag nun auf dem Schutz der Unabhängigkeit und Souveränität des Landes, um Konflikte mit den Großmächten zu vermeiden und weiteren Gebietsverlusten vorzubeugen.
Wie erfolgreich diese Politik über Jahrhunderte war und wie der strategische Kurswandel mit dem aktuellen NATO-Beitritt weder Sicherheit noch echte Unabhängigkeit für Schweden bringt, versuche ich im zweiten Teil dieses Textes zu beschreiben.
Ich bin kein Historiker und „komme“, wie andere wichtige Menschen, auch nicht aus der Außenpolitik – aber mich interessiert die Welt, in der ich lebe, und ich nutze meinen Kopf zum Selbstdenken. Deshalb: Nur meine Meinung!
Hallo Joachim,
ich bin auf deinen zweiten Teil des Textes im Kontext des seit über 2 Jahrzehnten agressiven Geltungsdranges Russlands sehr gespannt! Ich möchte noch nicht von einem Expansionsdrang sprechen, obwohl mit dem von Putin geprägten Begriff von Neu-Russland ja ein solcher auch verstanden werden könnte und langsam Realität wird. Beziehe bitte auch Methoden wie von Russland induzierten Grenzdruck durch Flüchtlinge an Finnlands Ostgrenzen, diverse Cyberattacken, Auftragsmorde in europäischen Staaten, Wahleinmischungen etc. mit ein. Es kann daher naheliegen, dass sich bisher neutral gegenüber Russland eingestellt Länder, Schutzpartner suchen. VG Jan