Matthias Claudius: Abendlied
Matthias Claudius: Abendlied

Matthias Claudius: Abendlied

Viele kennen Text und Melodie* des wunderschönen Abendliedes von Matthias Claudius (1740-1815). Es gehört zu den bekanntesten Werken der deutschen Literatur.

Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;
Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
Der weisse Nebel wunderbar.

Aber das Gedicht beinhaltet nicht nur die altvertraute Einschlafmelodie und die oben stehenden ersten Reime, sondern in sieben Strophen einen Entwicklungsgang von der Beobachtung der Natur bis hin zum Gebet, in welchem Claudius philosophische Aspekte seiner Weltanschauung vermittelt.

 

Seht ihr den Mond dort stehen? –
Er ist nur halb zu sehen
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

 

Dass der Mensch dem Wahnsinn verfallen kann, gehört zu seinem Wesen, zur sogenannten conditio humana. Im Vergleich zu den Tieren, ist der Mensch viel weniger an die Weisungen der Natur gebunden. Die vererbte Instinktsicherheit, die den Zugvögeln sagt, wo und wann sie im Herbst hinfliegen sollen, dem Bieber, wie Bäume zu fällen und Dämme zu bauen sind, oder der Katze, wie man Mäuse fängt, diese Sicherheit haben wir nicht. Wir haben uns von der Natur weitgehend emanzipiert. Die Sicherheit der Instinkte haben wir gegen kulturelles Verhalten eingetauscht, deren Grundzüge wir in einer – im Vergleich zu den Tieren – sehr langen Kindheit und Jugend erlernen müssen.

Für uns Menschen ist Kultur unsere zweite Natur. Diese Erkenntnis ist inzwischen anthropologische Binsenweisheit. Irgendwo soll Friedrich Nietzsche gesagt haben, „Der Mensch ist das einzige Tier das lügen kann.“ (Tiere können zwar tricksen, aber lügen?) Er kann sich selbst etwas vormachen, in einem Wolkenkuckucksheim wohnen.

Tiere sind an die Weisungen der Natur gebunden im Gegensatz zu den Menschen.

So wie sich der einzelne Mensch selber belügen und täuschen kann, so können auch ganze Menschengruppen, ganze Völker oder Zivilisationen dem Wahn anheimfallen. Und da die Gedanken, Vorstellungen und Lehrmeinungen oft nicht in der Wahrheit gegründet, sondern clevere Illusionen und Indoktrinationen sind, bedeutet das, dass solche irregeleiteten Zivilisationen keinen Bestand haben werden und früher oder später auf ein Desaster hinsteuern. Denn nur das Wahre bewährt sich. Beispiele gibt es zuhauf.

 

* die Melodie wurde von Johann Abraham Peter Schulz (1774-1800) komponiert

Den kompletten Text des Abendliedes findet ihr HIER.

 

 

 

 

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